In diesem Jahr feiert unser Grundgesetz seinen 70. Geburtstag. Als es 1949 beraten wurde, hatten die Parlamentarier zweifelsohne noch all die Schrecken der menschenverachtenden Schrecken der NS-Herrschaft vor Augen. Und so formulierten sie in Artikel 1 des Grundgesetzes unmissverständlich als Leitmotiv:
"Die Würde des menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt...".
Gilt dieser Schutzanspruch auch für diejenigen, die in unserem Land sich durch die Übernahme eines politischen Mandats in den Dienst der Allgemeinheit stellen?
Ein Urteilsspruch des Berliner Landgerichts lässt daran zumindest massive Zweifel aufkommen. Die Kammer wies eine Klage der Grünen-Politikerin Renate Künast ab, die in den Sozialen Medien in übelster Weise als „Stück Scheiße“, „Sondermüll“ und „Geisteskranke“ (die noch schlimmeren Formulierungen möchte ich hier lieber nicht wiedergeben!) beleidigt wurde. In ihrer Urteilsbegründung ordneten die Richter die diffamierenden Äußerungen des anonymen Verfassers als „den Rahmen des Zulässigen nicht überschreitend“ ein.
Meine Auffassung ist klar:
Artikel 1 des Grundgesetzes bindet mit seiner Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde ausdrücklich alle staatliche Gewalt – also auch die Rechtsprechung! Mit ihrem Urteil haben diese Richter sich nicht nur gegen die Klägerin gestellt und damit Politikerinnen und Politiker quasi zum Freiwild für verbale Attacken erklärt. Sie haben sich auch gegen ein elementares Prinzip unserer Verfassung gestellt und das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert.