1919 war in deutschen Kinos der Film „Anders als die Andern“ zu sehen, der erstmals das Thema männlicher Homosexualität behandelte. Sein Protagonist, der schwule Violinist Paul Körner wird wegen seiner Beziehung zu seinem Musikschüler Kurt Sivers erpresst. Denn homosexuelle Handlungen standen damals unter Strafe (§ 175). Unter dem Druck, der auf ihm lastet, sieht Körner seinen einzigen Ausweg im Selbstmord. Dieser Film mit düsterem Ausgang wurde heute bei einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung im Ingelheimer WBZ gezeigt.
In den Berliner Szenelokalen der jungen Weimarer Republik war zur gleichen Zeit das „Lila Lied“ zu hören. Aus ihm klang die Hoffnung auf eine Abschaffung des umstrittenen § 175:
„… doch bald, gebt acht,
wird über Nacht
auch uns´re Sonne scheinen.
Dann haben wir das gleiche Recht erstritten,
wir leiden nicht mehr, sondern sind gelitten!“
Es kam anders. Die Nationalsozialisten verschärften den § 175 – und schickten männliche Homosexuelle in Konzentrationslager, wo sie an ihrer Kleidung durch einen rosa Winkel kenntlich gemacht wurden.
Der heutige Holocaust-Gedenktag ist daher ihnen als Opfergruppe gewidmet.
Und wie ist es heute? Gilt für die, die „anders als die andern“ sind, der Art. 1 unseres Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist, in vollem Umfang?
Dieser Frage ging eine engagierte Diskussionsrunde mit Wolfgang Buchmeier vom Verein „Homosexuelle und Kirche“ und Joachim Schulte von QueerNet Rheinland-Pfalz gemeinsam mit mir und dem Publikum nach.
Der § 175 wurde zwar 1994 (!) aus dem Strafgesetzbuch gestrichen – doch von der völligen rechtlichen Gleichstellung derjenigen, die sich nicht nach der klassischen Geschlechtsnorm „männlich“ oder „weiblich“ definieren lassen wollen oder können, sind wir ebenso weit entfernt wie bei denjenigen, die ihren Anspruch auf die „Ehe für alle“ in die Tat umsetzen.
Und das gilt beileibe nicht nur für Menschen mit „anderem“ Geschlecht oder „anderer“ sexueller Orientierung – auch Menschen anderer Hautfarbe, Kultur, Religion etc. fühlen sich in unserer Gesellschaft immer wieder ausgegrenzt. Manchmal ist schon das Vertreten einer anderen Meinung Anlass für Ausgrenzung.
Es gibt also noch viel zu tun auf dem Weg zu einer wirklich bunten Gesellschaft!