Keine Sternstunde

Bild: pixabay
Bild: pixabay

In Zeiten von Corona sind digitale Kreistagssitzungen längst schon zur Routine geworden – inklusive der Tücken, die die Technik mit sich bringt. So fand der Vorstoß der FDP-Fraktion für den Umstieg auf eine Software, die mehr Stabilität in die Verbindung zwischen Sitzungsleitung und –teilnehmern bringt, auch breite Zustimmung.

 

Aber instabile Verbindungen können nicht als Entschuldigung für das Bild bieten, das die gestrige Sitzung bei vielen Teilnehmern – und noch mehr bei den zugeschalteten Gästen – hinterließ. Bezeichnend für die Einschätzung des Verlaufs der Sitzung waren die – auch für die zugeschalteten Gäste zu lesenden – Chat-Kommentare etlicher Kreistagsmitglieder, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen. Den Clou hinsichtlich angemessener Kommentierung lieferte allerdings visuell ein Kreistagsmitglied, das an seinem häuslichen PC-Monitor die Kamera nicht ausge-schaltet hatte. So konnte jeder miterleben, wie Betreffender sich verzweifelt die Haare raufte angesichts des Ablaufs der über fünfstündigen Sitzung.

Es war wirklich keine Sternstunde, was da geboten wurde. Kreistagsmitglieder, die um eine erneute Abstimmung baten, weil sie beim ersten Mal nicht verstanden hätten, um was es genau ginge und daher falsch abgestimmt hätten. Debatten, bei denen es nur darum ging, ob der jeweilige Antrag vom „Regierungslager“ oder der „Opposition“ kommt. Und über all dem eine Sitzungsleitung, deren Souveränität der eines Autofahrers glich, der sich mit Sommerreifen auf eisglatter Fahrbahn bewegt.

 

Ich bin seit Jahrzehnten Mitglied des Kreistags Mainz-Bingen. Das Niveau der gestrigen Sitzung markiert in meiner Erinnerung dabei einen neuen Tiefpunkt. So kann man die Menschen nicht für die parlamentarische Demokratie begeistern...